Osteopathie bei Schädelasymmetrie (Plagiozephalus)
- Sascha Bade
- 9. Apr.
- 9 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 7 Tagen
Die ersten Lebensmonate eines Kindes sind eine Zeit rasanten Wachstums – vor allem im Kopfbereich. Der kindliche Schädel ist noch weich und formbar, was ihn zwar anpassungsfähig macht, aber auch anfällig für Verformungen. Eine häufige Beobachtung in der pädiatrischen Praxis ist die sogenannte Plagiozephalie – eine asymmetrische Verformung des Schädels.

Inhaltsverzeichnis:
Was ist eine Plagiozephalie?
Plagiozephalie ist der medizinische Begriff für eine asymmetrische Verformung des kindlichen Schädels. Besonders auffällig ist dabei eine Abflachung auf einer Seite des Hinterkopfs. Meist entsteht sie dadurch, dass Babys viel Zeit in der Rückenlage verbringen und ihren Kopf bevorzugt zu einer Seite drehen. Die gute Nachricht: Diese Form der Verformung ist in der Regel harmlos und behandelbar
Formen der Schädelasymmetrie:
Brachyzephalus: kurzer, breiter Schädel durch vorzeitigen Verschluss der Sutura coronalis
Skaphozephalus: langer, schmaler Schädel durch frühzeitigen Verschluss der Sutura sagittalis
Turmschädel: resultiert aus kombinierter Synostose von Sutura coronalis und sagittalis
Trigonozephalus: dreieckige Stirn durch frühzeitige Verknöcherung der Sutura metopica
Plagiozephalus im engeren Sinne: parallelogrammartige Abflachung – meist lagerungsbedingt

Ein besonders relevantes Detail: Kinder, die in Beckenendlage geboren wurden, zeigen häufig eine skaphoide Kopfform – eine langgezogene Schädelstruktur als Folge der intrauterinen Zwangshaltung.
Woran erkennt man eine behandlungsbedürftige Schädelasymmetrie?
Die meisten asymmetrischen Kopfformen bei Säuglingen sind harmlos und kosmetischer Natur. Dennoch ist Wachsamkeit gefragt, denn bei einer echten Kraniosynostose besteht das Risiko eines gesteigerten Hirndrucks, der operativ behandelt werden muss. Osteopathie kann in diesen Fällen postoperativ zur Rehabilitation beitragen → nicht als primäre Therapieform.
Wann muss ich mir Sorgen machen?
Einseitige Abflachung, aber keine anderen Auffälligkeiten?
→ Meist harmlos.
Auffällig früher Verschluss der Fontanelle, Schielen, Erbrechen, Entwicklungsverzögerung?
→ Bitte ärztlich abklären lassen!
Weitere mögliche Komplikationen bei unbehandelter Schädelasymmetrie:
Haltungsschwächen und Asymmetrien
Schielen (Strabismus)
Fehlstellungen im Kiefergelenk
Mögliche Entwicklung einer Skoliose

Der Körperkompass
Gesundheitswissen aus der Osteopathie-Praxis
Bestell-Nr. 1582ISBN-13: 978-3-8434-1582-8
248 Seiten, 154 x 205 mm, broschiert, mit zahlreichen farbigen Abbildungen
Die osteopathische Betrachtung der Schädelasymmetrie
Osteopathen betrachten den Körper als funktionelle Einheit. Spannungen, Blockaden und Bewegungsverluste in einem Bereich wirken sich auf das gesamte System aus. Das betrifft im Besonderen Säuglinge, mit ihren empfindlichen, sich noch entwickelnden Strukturen. Bei lagerungsbedingter Plagiozephalie bietet die Osteopathie eine fundierte, schonende Möglichkeit, die Selbstregulation des Körpers zu unterstützen.
Osteopathisches Vorgehen bei lagerungsbedingter Plagiozephalie
Ausschluss einer Synostose
Vor Beginn jeder osteopathischen Behandlung ist eine genaue Untersuchung der Suturen und Fontanellen notwendig. Eine echte Synostose muss ausgeschlossen sein, bevor eine manuelle Therapie erfolgen kann.
Ganzkörperliche Untersuchung und Behandlung
Der Osteopath untersucht den gesamten Körper des Kindes auf Spannungen, Bewegungsblockaden und asymmetrische Belastungen. Dabei steht besonders die Dura mater im Fokus. Dabei handelt es sich um eine der schützenden Hüllen um das Gehirn, die Spannungen speichern und übertragen kann.
Suturen und "Molding"
"Molding" bezeichnet die Verformung des Schädels durch Druckeinwirkung, wie z. B. während der Geburt oder durch einseitige Lagerung. Die osteopathische Behandlung zielt darauf ab, diese Spannungen sanft zu lösen und die Beweglichkeit der Schädelknochen zu fördern.
Korrektur der Vorzugshaltung
Die Therapie konzentriert sich auf bestimmte Schlüsselregionen, die häufig bei Haltungsasymmetrien betroffen sind:
den Übergang vom Hinterhaupt zum ersten Halswirbel (OAA-Region)
die Schädelbasis (Synchondrosis sphenobasilaris, kurz: SSB)
den oberen Brustkorb (obere Thoraxapertur)
Lagerungsberatung für Eltern
Die Osteopathie bindet Eltern aktiv in die Behandlung ein. Das Ziel: im Alltag förderliche Bedingungen schaffen.

Wann ist eine osteopathische Behandlung sinnvoll?
Die ideale Zeit für eine osteopathische Erstbehandlung liegt in den ersten Lebenswochen – möglichst noch im Neugeborenenalter. Je früher Spannungen erkannt und gelöst werden, desto leichter kann der Schädel sich symmetrisch entwickeln. Auch nach einer Operation wegen Kraniosynostose kann Osteopathie zur postoperativen Rehabilitation sinnvoll sein, um Spannungen im Gewebe abzubauen und die motorische Entwicklung zu unterstützen.
Gut zu wissen:
Die hintere Fontanelle schließt sich etwa um den 3. Lebensmonat, die vordere Fontanelle (große Fontanelle) bis zum Ende des ersten Lebensjahres.
Wenn eine Sutur vorzeitig verknöchert, besteht die Tendenz, dass auch andere folgen. Eine frühzeitige Diagnostik ist hier wichtig!
Lagerungsbedingte Plagiozephalien sind meist harmlos, aber nicht bedeutungslos: Sie können funktionelle Folgen haben, wenn sie unbeachtet bleiben.
Fazit: Sanfte Impulse für eine runde Sache
Osteopathie bei Schädelasymmetrie ist kein Hokuspokus, sondern eine fundierte, manuelle Therapieform mit klaren anatomischen Grundlagen. Sie setzt dort an, wo Spannungen entstehen, löst funktionelle Blockaden und begleitet Babys auf ihrem Weg zu einem guten Start ins Leben.
Wichtig ist, dass Eltern nicht in Panik verfallen – aber auch nicht auf "es wächst sich schon aus" hoffen. Früh erkannt, gut begleitet und mit kompetenter osteopathischer Unterstützung können viele Schädelasymmetrien sanft ausgeglichen werden. Der Schädel formt sich, aber eben nicht immer allein. Manchmal braucht er einen kleinen Schubs. Oder zwei. Von einer osteopathischen Hand.
FAQ: Schädelasymmetrie bei Babys & osteopathische Hilfe
Was ist eine Plagiozephalie?
Ist eine Schädelverformung gefährlich für mein Baby?
Was ist der Unterschied zwischen Plagiozephalie und Kraniosynostose?
Was sind Schädelnähte (Suturen)?
Was ist eine Fontanelle?
Warum bekommen Babys eine Schädelverformung?
Was ist „Molding“?
Wie erkenne ich, ob mein Baby betroffen ist?
Ist Osteopathie bei Plagiozephalie sinnvoll?
Wie läuft eine osteopathische Behandlung ab?
Was ist die „Dura mater“ und warum ist sie wichtig?
Was bedeutet „SSB“ und was hat das mit meinem Baby zu tun?
Was ist die OAA-Region und warum ist sie wichtig für die Kopfform?
Was ist die obere Thoraxapertur und welchen Einfluss hat sie?
Wie oft sollte mein Baby osteopathisch behandelt werden?
Wann ist der beste Zeitpunkt für eine osteopathische Untersuchung?
Was können Eltern zu Hause tun, um eine Schädelverformung zu verhindern?
Wann sollte ich mein Baby ärztlich untersuchen lassen?
Wächst sich eine Plagiozephalie nicht sowieso aus?
Wer darf in Deutschland osteopathisch behandeln?
Hinweis: Diese Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung, sondern sollen Orientierung bieten. Wenn du dir Sorgen machst, wende dich an deine Kinderärztin oder einen fachkundigen Therapeuten.